(nur Bürgerbüro)
Zeitzeuge Thomas Grünkorn aus Pilgerzell
Die Liste es politischen Engagement in der Gemeinde Künzell von Thomas Grünkorn ist sehr lang. Seit 1977 ist er in der Gemeindevertretung. Seit 1985 ist er im Ortsbeirat Pilgerzell. Das Amt des Ortsvorstehers hat er seit 2006 bis heute inne (und in 2000 für 1 Jahr).
Wie war damals in Pilgerzell die Stimmung?
Die Stimmung war in Pilgerzell nicht besonders gebietsreformfreundlich. Ebenso nicht in Engelhelms und in Dirlos. Das beweisen Schriftstücke. Hierbei ging es noch nicht mal so sehr um die Verbindung mit Künzell. Vielmehr der Name „Florenberg“ war für diese drei Ortsteile sehr identifikationsstiftend. Die Ortsteile waren und sind bis heute mit dem Florenberg eng verbunden, als kirchliche Pfarrei bis 1965. Deswegen war der Name „Florenberg“ ein ganz wichtiger Wunsch mit hoher Symbolkraft, und er wurde auch lange in Aussicht gestellt.
Hinzu kam danach, dass etliche Straßen ihren Namen abgeben mussten und die Post ihr Zustellungssystem veränderte. Die Ortsteilnamen verschwanden plötzlich postalisch und wurden beispielsweise zu „Künzell 3 oder 4“. Zudem waren die eingegliederten Ortsteile bis zur Kommunalwahl im Herbst 1972 politisch gar nicht vertreten. Da kam nachvollziehbar unter den Bürgern und Bürgerinnen viel Frustration und Verärgerung auf.
Was hat es mit dem Brief von Landrat Eduard Stieler auf sich?
Der damalige Landrat Eduard Stieler schrieb im November 1971 einen Brief an den Vorsitzenden der Pilgerzeller Gemeindevertretung. Der Brief enthielt Ausführungen zur rechtlichen Situation und weiteren Vorgehensweise. Er endete mit der Feststellung, dass Pilgerzell nur noch zwei Möglichkeiten hätte, entweder eine freiwillige Eingliederung oder eine unter Verlust aller finanziellen Vorteile und Vergünstigungen zwangsweise Eingliederung in die Großgemeinde Künzell.
Haben Sie noch eine kleine Anekdote, die die Stimmung damals humoristisch widerspiegelt?
Einen Tag vor der Eingliederung - also am 31. März 1972- gab es ein starkes Unwetter. In dieser Nacht fiel in Pilgerzell die alte Dorflinde dem Unwetter zum Opfer. Die Pilgerzeller ulkten damals: „Selbst die alte Dorflinde möchte nicht nach Künzell.“ So berichtete mir vor einigen Monaten ein Alteingessener.
Wie schätzen Sie rückblickend die Entwicklung mit der Akzeptanz für die Großgemeinde Künzell aus Ihrer Pilgerzeller Sicht ein?
Ich will es mal etwas spaßig und kurz formulieren: Im Jahr 1972 war es eher eine Zwangsehe, heute müssen wir eher sagen, es war eine Vernunftehe, und in 50 Jahren werden es wahrscheinlich viele als Liebesheirat ansehen.
Aber ernsthaft: Geschichtliche Wahrheiten bleiben. Die Sichtweisen und Befindlichkeiten der Menschen ändern sich.
Zur Information: Pilgerzell hatte damals schon – aufgrund seiner Größe - einen hauptamtlichen Bürgermeister, Karl Hagemann.