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Haus Nr. 18: Alter Gutshof

Die Geschichte zum Alten Gutshof von Künzell

Nach der Chronik von Alois Jestedt hatten sich um die Mitte des 12. Jahrhunderts der Fuldaer Klosterbesitz in Künzell, der zur Propstei Frauenberg gehörte und aus mehreren neu gebildeten Bauerngüter bestand. Ums Jahr 1212 lassen sich mehrere Bauernstellen nachweisen; und ums Jahr 1250 waren bereits 4 Bauerngüter vorhanden.

Mit der Übernahme der Lehnsherrschaft durch die Herren von Dippertz war auch Grundbesitz in deren Hände gekommen. Über die näheren Umstände sowie über den Zeitpunkt des Erwerbs sind keine Angaben vorhanden.

Vermutlich aber geht die Errichtung des festen Burgsitzes, der Kemenate in Künzell auf die Herren von Dippertz zurück, in dessen Auftrag die Anlage des Junkerhofes als „freier Hof“ erstand. Beide bildeten größere Güter, die in der Hand der Herren von Dippertz und ihre Nachkommen bis zum Jahre 1626 waren, wo sie dann in das Eigentum des Fürsten übergingen, der das Jesuiten-Kolleg ad St. Petrum et Paulum zu Fulda damit belehnte.

Ums Jahr 1510 war das Dorf zu 7 selbständigen Bauerngüter herangewachsen, die Hüttnergütchen nicht mitgerechnet (nach historischer Quelle 7 Viehhalter).

Nach dem an Hand des „Geometrischen Grundriss, Tractus VII vom Jahr 1722 Kartenblatt aus dem HStAM (Hess. Staatsarchiv Marburg) konnte man die Höfe zuordnen. Zwei geschlossene Hofreiten lagen zu beiden Seiten des Ortesweges heute Fuldaerstrasse, die beide an den Grezzbach grenzten. Zwei weitere geschlossene Hofreiten gruppierten sich um den Burgsitz, die Kemenate. Als fünfter Hof bestand der Lanneshof und als sechste Wirtschaftseinheit das Mühlgut, die Bachmühle. Schließlich ist hierzu als siebte Einheit der Junkerhof zu nennen. Alle diese Güter waren mit „Viehhaltern“ besetzt, wie sie in der Urkunde genannt werden.

Der „Oberhof“ oder „Neue Hof“ ist der Hof, der im Jahr 1966 abgerissen wurde. Er entstand erst 1676 durch das Jesuiten-Kolleg zu Fulda. Fürstabt Johann Bernhard Schenk von Schweinsberg (1623-1632) hatte durch Fundationsurkunde vom 31. Juli 1626 den Jesuiten mit den Gütern Sulzhof und Trätzhof auch das Gut Künzell übereignet. Die Bewirtschaftung dieser Gutshöfe überließ das Kolleg einem „Beständer“ (einem Pächter) mit entsprechenden Pachtverträgen. Der „Ober- oder Neue Hof“ war als Conventslehn ausgewiesen worden, dessen jährlichen Zinsen an das Seelgeräths- Amt des Convents ad St. Bonifatium zu Fulda zu liefern waren.

 

Daneben hatte „ein zeitlicher Possessor“, das Kolleg in Fulda, die Verpflichtung:

  1. „jedem neu erwählten und regierenden Herrn (dem Fürstabt) eine neue Bettlade zu liefern;
  2. in Notfällen einen tauglichen Mann mit einer tüglichen Armbrust 4 Wochen lang unter Besoldung in des Stifts Stadt oder Schloss zu stellen und zu unterhalten und schließlich
  3. jährlich 7 hölzerne gedrehte Leuchter an das Stifts-Hospital in der Hinterburg zu liefern.

 

Gemäß dieser letzten Verpflichtung wurde der Hof auch „Leuchterlehnshof“ genannt. Diesen „Leuchterlehnshof bewirtschaftete im 17. Jahrhundert Balzer Eschenbrücker als Pächter, weshalb der Hof auch der „Eschenbrückerhof genannt wurde.

Vom 14. bis zum 18. Jahrhundert war das Gebiet der Gemarkung Künzell an mehrere Grundherrschaften vergeben worden, die das Land in verschiedenen Größen an die Bauern, Hintersiedler und Hüttner (eigentliche Hüttner und sogenannte vierschwellige Hüttner, letztere besaßen nur auf 4 Schwellen erbaute Hütten) verlehnten.

 

In Künzell bestanden bis zum Anfang des 18. Jahrhundert folgende grundherrschaftliche Lehnsgüter, in verschiedenen Größen, die deklariert waren als:

  1. Hochfürstliches Lehen im Eigentum des Fürsten, deren Verwaltung der Fürstlichen Rentkammer zu Fulda oblag.
  2. Peterbergisches Lehen, in der Hand des Propstes auf dem Petersberg.
  3. Neuenbergisches Lehen, im Eigentum des Propstes auf dem Neuenberg.
  4. Michelbergisches Lehen im Eigentum des Propstes auf dem Michaelsberg zu Fulda.
  5. Convents-Lehen im Eigentum und Verwaltung des Bendiktiner Convents ad St. Bonifatium, des Klosters Fulda.
  6. Kirchen-Lehen im Eigentum der Kirche auf dem Florenberg.

 

Diesen Grundherrschaften standen unter anderem neben der niederen Gerichtsbarkeit, der sogenannten „Lehnvogteilichkeit“ über die Untertanen, auch das Recht der Erhebung von Grundzinsen, der Leistung von Fronen und Diensten zu. Daneben musste der Landesuntertan dem Landesherrn, dem Fürsten zu Fulda, das jährliche Rauchhuhn als Hoheitszins liefern, das von jedem Haushalt, in dem ein eigener Herd unterhalten wurde, abzugeben war. Demnach besaß der Bauer, Hintersiedler oder Hüttner seine Grundstücke die grundsätzlich an den Hof oder die Hütte gebunden waren, d. h. nicht veräußert werden konnte, nur geliehen; sie waren nicht sein Eigentum.

Das Obereigentum stand der Lehnherrschaft allein zu. Als Anerkennung dieses Rechtes mussten die jährlichen Grundzinsen bezahlt werden. Sie bestanden in barem Geld, der Lieferung von Früchten und Viktualien aller Art oder in sonstigen nutzbaren Sachen. Der Geldzins war nach Gulden bestimmt, der im Duodezimalsystem wiederum in 42 Bömisch oder Kreuzer zerfiel. 1 Gulden sind heute ungefähr 13,40 Euro unserer heutigen Währung. Von einzelnen Güterstücken wurde auch Wachszins verlangt. Weitere Rechte der Grundherrschaft bestanden in der Leistungsforderung von Frondiensten aller Art, in den sogenannten Lehnsverpflichtung als „Recognition= Anerkennung der Grundherrschaft bei Wechsel in der Person des Lehnsmanns beim Empfang des Gutes oder beim Abgang durch Tod. Schließlich hütete der Obereigentümer streng auf sein Recht der Geschlossenheit. Das heißt kein Stück konnte ohne sein Vorwissen und ausdrücklicher Genehmigung vertauscht oder verkauft werden. Das Gut musste „geschlossen“ bleiben; Erbteilung war ausgeschlossen.

 

Dem gegenüber umfasste das dem Lehnsmann zustehende nutzbare Eigentum folgende Punkte:

  • die unumschränkte Nutzung des Grundstücks nach eigenem Gutdünken,
  • die Belegung mit einem Servitut,
  • Verträge zu schließen bezüglich der Abgrenzung des Grundstücks,
  • Umwandlung der Nutzungsart von Acker in Wiese und umgekehrt,
  • die Bestimmung der Erbfolge (Schenkung, Tausch oder Verkauf)

unter Wahrung der gesetzlichen Bestimmungen.

 

Dem Lehnsmann wurde über seinen erhaltenen Besitz ein besonderer Erbbrief ausgestellt.

Alle diese dem Lehnsmann überlassene Grundstücke sollten mit Rechten und Pflichten und ihre Größe zur Erfassung der Grundsteuer gemäß der Visitationsprotokolle des Kölner Nuntius Aloysius Caraffa vom jahr 1627 buchmäßig erfasst und niedergeschrieben werden, was zur ersten Aufstellung des ersten Saalbuches der Jahre 1675-1676 führte. Dieses ist leider verlorengegangen. So wurde im Jahre 1702 wurde die „Renovatur der alten und die Errichtung der neuen Urbarien“ angeordnet, die Neuaufstellung der Saalbücher als Grundbücher im modernen Sinne. Nach dieser fürstlichen Anordnung bearbeitete der damalige Centamtsverweser und Cammerrat Johann Magnus Rang und Wilhelm Balthasar Bodt die zum „Centamt Fuld“ gehörigen Ortschaften auch das Saalbuch von Künzell im Jahre 1708 das im Staatsarchiv Marburg /Lahn aufbewahrt wird.

 

Die alte Gutshofglocke

Die alte Gutshofglocke ist eines der wenigen Erinnerungsstücke an den alten Gutshof. Sie befindet sich heute im originalen Glockenbalken an einem Ehrenplatz im Künzeller Rathaus (direkt im Eingangsbereich).

 

 

Was sind Wachszinsige?

Wachszinsige oder Wachszinspflichtge waren hörige Hofesleute, die als Gegenleistung für Schutz als Abgabe alljährlich nur einen Zins in Form von Wachs oder Wachskerzen zu liefern hatten, den sogenannten Wachszins. Das Wachs diente schon im frühen Mittelalter auch für Schreibtafeln, und das Bienenprodukt wurde hoch gehandelt. Die Wachszinsigkeit war die mildeste Art der Hörigkeit.

Im Mittelalter gab es zunächst kaum öffentliche Sicherheitsbehörden, oder eine allgemeine zuständige Polizei, die verstreut angesiedelten Höfe mussten sich daher selbst um Schutz und Beistand bemühen. Dazu konnten sie sich unter Aufgabe ihres Eigentums und ihrer Freiheit freiwillig einer festen Stadt, einen Oberhof oder einer Klostergemeinschaft anschließen und standen als Wachszinsige oder Klosterhörige unter meist kirchlichen Schutz. Mit der Hörigkeit entgingen die Hofesleute auch der Dienstpflicht gegenüber den Territorialherren, die unter anderem im Kriegsdienst bestand. Die Aufgabe der Freiheit schien für viele die bessere Alternative zu einem möglichen Tode in einer Fehde oder Schlacht. Die Wachszinsigen oder Zensualen besaßen einen besseren Stand als die sonstigen Hofhörigen. Ihre Zahlungsverpflichtungen waren geringer und ihr sozialer Status höher, da das ganze Institut auf einen anderen Ursprung als die Hofhörigkeit basierte.

Literatur Norbert Becker: Soziale Verhältnisse auf dem Lande.

 

Abschließend:

 

 

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