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(nur Bürgerbüro)

Zeitzeugen aus Dietershausen

Alfred Klüber (links), Jahrgang 1944, war nach der Gebietsreform von 1972 bis 1985 im Ortsbeirat in Dietershausen. Von 1977 bis 1989 war er parallel dann auch in der Gemeindevertretung. Josef Kremer, heute 96 Jahre alt, war von 1964 bis 1971 in der Gemeindevertretung. Norbert Maierhof, Jahrgang 1948, sieht sich selbst als „junger Dietershäuser Rebell“ der Gebietsreform.

 

Weyhers oder Künzell? Beide wollten uns.

 

Schildern Sie doch mal die Situaition damals in Dietershausen.

Josef Kremer: Dietershausen war damals zweigeteilt. Manche waren sehr skeptisch. Besonders die Bauern wollten nach Weyhers weil sie sich dort eher vertreten fühlten als in Künzell. Dort gab es mehr Landwirtschaft und man erhoffte sich eine größere Interessensvertretung, mehr Gehör und mehr Unterstützung. Damals gab es 7 Haupt- und knapp 60 Kleinlandwirte in Dietershausen.

 

Wo gingen denn die Kinder in den Kindergarten und die Schule?

Josef Kremer: Die Kinder gingen teilweise in Weyhers in den Kindergarten und die Schule. In Dietershausen waren keine Plätze frei. Auch hier war der Bezug eher in Richtung Weyhers. Es war damals schon ein Antrag gestellt. Es wurde damals zur Aufgabe bzw. zur Bedingung gemacht, dass der Kindergarten unbedingt gebaut werden musste. Künzell hatte damals schon ein kleines „ja“ dazu gegeben und somit ging die Tendenz dann doch Richtung Künzell.  (Hinweis der Redaktion: der Kindergarten Sonnenhöhe in Dietershausen wurde dann am 6. Oktober 1972 eingeweiht).

 

Weyhers oder Florenberg? Was passierte dann?

Norbert Maierhof: Es gab damals 800 Einwohner in Dietershausen. Und ca. 260 bis 300 Bürger pendelten damals täglich zur Arbeit nach Fulda. Daher tendierten wir damals in Richtung Stadt.

Es gab im Dezember 1970 eine Bürgerversammlung, die Mehrheit hat sich damals für „Florenberg“ entschieden. Aber die Gemeindevertretung hat dies dann doch ignoriert und hat sich in der ersten Abstimmung entschieden für Weyhers entschieden. Der damalige Bürgermeister Rudolf Horak ging sehr kompetent und überzeugend auf die Leute zu und hatte somit eine große Gruppe hinter sich. Außerdem hat so manch´ einer auch damals sein Brot in Weyhers verdient. So ganz ohne war das auch nicht. Trotzdem haben wir jungen Leute, ich war damals 23 Jahre alt, versucht, die Geschichte / das Schiff noch rumzudrehen.

Oskar Maierhof war damals eigentlich der Hauptinitiator. Er sagte, dass das kann so nicht weitergehen kann. Wir arbeiten in Fulda und wir versprechen uns von Künzell wesentlich mehr Vorteile und mehr Innovation, z.B. Bauland. Weyhers hatte damals die Idee Mittelpunkt zu werden und Bürgermeister Horak wollte da Chef werden. Das war damals die Ursache und der Hauptgrund.

 

Und dann kam der Rebell in Ihnen – welche Initiative starteten Sie?

Norbert Maierhof: Ja, so sieht ein junger Dietershäuser Rebell aus. Eigentlich sehr human.

Laut der Niederschrift waren wir 8 Mitglieder in dieser Initiative, oder vielleicht sogar noch ein paar mehr – sogenannte „junge Dietershäuser Rebellen“. Jeder hat von Oskar Maierhof eine Liste mit Personen erhalten, die er persönlich besuchte, um eine Unterschrift für Florenberg (Künzell) zu bekommen. Manche waren dafür und wir bekamen problemlos die Unterschrift. Andere waren skeptisch und wir bekamen keine Unterschrift. Teilweise wurden wir auch rausgeworfen mit den Worten: „Du Schnösel, was willst Du denn? Hast Du auch schon Ahnung von dem ganzen Geschäft. Mach´ Dich raus“. Wir haben uns nicht entmutigen lassen und wir bekamen eine ordentliche Liste mit Unterschriften für Florenberg zusammen. Dann kam die Gemeindevertretung wieder ins Spiel.

 

Was passierte dann?

Josef Kremer: In der Gemeindevertretersitzung kam es dann zur Abstimmung und zum Beschluss. Mit 5 Personen Mehrheit war das Los für Künzell gefallen. Dietershausen entschied sich für Künzell. Hinzu kam, dass Weyhers auch nicht Kern- bzw. Großgemeinde wurde – sondern Ebersburg. Alle Bedingungen waren somit nicht mehr gültig.

Ergänzung von der Redaktion: aus der Ortschronik Dietershausen zur 1200 Jahrfeier: Am 28.12.1971 (das war der letzte Beschluss der Gemeindevertretung der selbständigen Gemeinde Dietershausen) wurde mit 5 Stimmen bei einer Enthaltung beschlossen, den Beschluss vom 26.10.1971 dahingehend zu ändern, dass der Name der neuen Großgemeinde nicht Florenberg sondern Künzell lauten soll.

 

Warum wollte Weyhers unbedingt, dass Dietershausen zu ihnen kommt?

Alfred Klüber: Letztendlich ging es nur ums Geld. Dietershausen hatte schon eine Kanalisation und Strom. Es gab viele Barmittel und keine bzw. verhältnismäßig wenig Schulden. Außerdem verfügte Dietershausen über viel Wald (Giebelrain, Weinberg, rings um den Ort herum). Das war Kapital.

Bürgermeister Josef Schneider (1945 bis 1956) war sehr sparsam. Sein Nachfolger Benno Schleicher (1956 bis 1969) hat ordentlich investiert und modernisiert. Anschließend in 1969 kam dann der letzte Dietershäuser Bürgermeister Edgar Baier. Er hatte damals nicht geahnt, dass die Gebietsreform so schnell kommt und er sein Amt als Bürgermeister verliert.

 

Was gab es für gravierende Änderungen ab 1972? Wurde Dietershausen bei Investitionen vernachlässigt, weil es schon so gut dastand?

Alle: „Oh ja, andere Ortsteile hatten starken Nachholbedarf. Die wurden bevorzugt. Bei Baumaßnahmen oder auch bei den Freiwilligen Feuerwehren. Die 7 Wehren hatten alle große Ansprüche und es gab nur ein Budgettopf. Das war nicht ausreichend. Allerdings wäre es in Weyhers noch weniger gewesen.  Die Bergstraße war damals schon Baugebiet. Die Bürger haben damals die Straße (Am Stück) noch selbst gebaut. Dafür kostete der m² nur 7,50 DM. Der Kaufvertrag lief in 1971 noch über die Gemeinde Dietershausen. Der Häuserbau in 1972 dann schon über die Gemeinde Künzell.

 

Gibt es darüber hinaus noch Anekdoten?

Dietershausen hatte nach der Gebietsreform die Anschrift „6411 Künzell 2“. Viele dachten damals, dass die „2“ für Bachrain sei (als zweitgrößter Gemeindeteil). Das gab viel Verwirrung – auch bei den Postboten. Im September 1971 wurde eine neue Straßen- und Hausnummernbenennung eingeführt. Vor 1971 gab es ja nur Straßenbezeichnungen (z.B. Spatzegass = Mittelstraße, Säuroase = Weinbergstraße), denn die Häuser waren einfach durchnummeriert. Nach der Eingemeindung wurden Straßennamen, die doppelt vorkamen, erneut geändert. Beispielsweise bliebt die „Hauptstraße“ in Dietershausen. In Dirlos musste die Hauptstraße umbenannt werden in „Diorolfstraße“.

 

Wer war damals Bürgermeister in Dietershausen?

Edgar Baier, Senior. Er wurde nach der Gebietsreform Ortsvorsteher von Dietershausen.